Mit unseren Fragen und Enttäuschungen und unserer Ratlosigkeit stehen wir unter deinem Kreuz. Unter diesem Kreuz heute. Wir haben unsere Worte in den Mund des Johannes gelegt. Wir vertrauen, du hörst sie.
Aus Euren Gedanken des Johannes unterm Kreuz haben wir einen inneren Monolog geschrieben:
NEIN! Oh, nein! Nein, Jesus, das kann nicht sein. Du darfst nicht sterben. Du kannst doch nicht einfach tot sein. Nicht du. Nicht jetzt. Du bist doch alles für mich. Ich hab dich doch so gern. Es war doch so schön mit dir und den anderen. Wohltuend, befreiend. Unsere gemeinsame Zeit kann nicht einfach vorbei sein. Zum ersten Mal wusste ich, wo ich hingehöre. Zum ersten Mal habe ich mich verstanden gefühlt, auch wenn ich nicht immer verstanden habe, was du gesagt oder getan hast. Aber zum ersten Mal habe ich mich geliebt gefühlt. Es hat so gut getan in deiner Nähe zu sein, miteinander unterwegs zu sein. Ich hab soviel von dir gelernt über das Leben, dass es nicht ums Perfektsein geht, dass wir uns unsere Daseinsberechtigung nicht verdienen müssen, dass es einfach gut ist, dass und wie wir sind, übers Verzeihen, über das, was wichtig ist, über Frieden und Gerechtigkeit- und über Gott. Nie mehr werden mich deine Augen ansehen mit diesem ganz bestimmten Blick, bei dem ich nichts als Liebe spürte für mich, für meine Schatten und mein Licht.
„Es ist vollbracht“, sagst du. Gar nichts ist vollbracht.
Was soll denn jetzt geschafft sein?
Ich versteh das alles nicht. G*tt, was soll das? Warum hast du das zugelassen?
Warum gerade Jesus? Der liebevollste und mutigste Mensch, den ich kenne,
solidarisch vor allem, mit denen, die nicht in die Schubladen passen, die aus
dem Rahmen fallen, die Suchenden, die Fragenden, die Verrückten, die, die in
den Augen dieser Welt nichts zählen. Sie hat er angeschaut, ihnen Ansehen
verliehen. Mir auch. Aber ich kann nicht mehr länger hinsehen. Es ist
unerträglich für mich, ihn da so hängen zu sehen. Es zerreißt mir das Herz. Das
kann doch einfach nicht wahr sein. Ich kann, ich will es einfach nicht glauben.
Soll das jetzt alles gewesen sein? Das Ende? Alles aus? Wir hatten doch so
große Hoffnungen, so viele Träume von Freiheit und Leben, vom Teilen, von
Gerechtigkeit und Glück für alle Menschen. Und jetzt hängt er da. Mein Freund.
Übersät mit Striemen und blutenden Wunden. Halb nackt. Alles, was ich geglaubt
habe, woran ich mein Herz gehängt habe, unsere Freund*innenschaft, unsere
Gemeinschaft, die Art, wie er von G*tt gesprochen hat. Mein ganzes Weltbild
zerfließt. Mit jeder Träne, die aus mir kommt, weiß ich weniger wer ich bin,
was das alles noch soll und an was ich noch glauben kann. Mit das Schlimmste
dabei ist, dass ich ohnmächtig daneben stehen muss. Ich kann nichts mehr für
dich tun, mein Freund. Nichts mehr für uns tun. Einfach aus. Ende. Vorbei. Alles
hab ich aufgegeben, um mit ihm und den anderen zu gehen, um das gemeinsam zu
leben, wovon er gesprochen hat. Das klang so hoffnungsvoll und mit ihm und
miteinander zu sein, war so heilsam, eine Ahnung vom Himmel. Er war meine
Hoffnung. Was soll denn jetzt bloß werden? Was soll ich jetzt tun? Wo soll ich
jetzt hin? Und was, wenn sie uns anderen jetzt auch nachstellen und mit dem Tod
bedrohen. Vielleicht stehen wir alle schon auf ihrer Liste. Vielleicht bin ich
der nächste. Ich habe solche Angst. Ich weiß nicht ein noch aus. Er hätte
gewusst, was jetzt zu tun ist. Er hätte gesagt: Fürchte dich nicht! Er hätte
gesagt: Vertrau mir! Doch das ist so verdammt schwer!